G. Händler: Stahl wird Kunst
Stahl, fabrikfertig in schmaleren oder breiteren Bändern, in kürzeren oder längeren Stabformen bezogen, durch künstliche Einwirkungen „seinem ursprünglichen Zustand entfremdet und durch eine Verwandlung, die eine Zerstörung sein kann, zu einem Zustand anderer Bestimmung gebracht“; Stahl, durch Erhitzung „farb“wertig gemacht, durch Ausblühungen und Schweißungen entglättet (und verlebendigt), aus seinen verschiedenen Formen heraus erfindungsreich gebündelt, kontrastreich zueinander gezwungen: Friederich Werthmann wählt und behandelt seinen Werkstoff nach dem Prinzip, ihn „vom Bereich des technisch Zweckhaften in den des Unzweckmäßigen umzuformen“. Das Zweckfreimachen ist ein Akt der künstlerischen Unterwerfung, des „Freimachens zum Kunstwerk.“ Tatsächlich führen die immer wechselnden und neuen Formen und die jeweilige in sich geschlossene Einheit dieser Schöpfungen den Betrachter weit über das Hängenbleiben am Stofflichen hinaus. Man folgt den Richtungslinien, den Wandlungen und Wiederholungen, den Gegensätzlichkeiten geschwungener und gestreckter Partien, den Verdichtungen, Ballungen und Intervallen und erlebt Bewegungsformen. Retardierende, verlangsamende und verzögernde, zum Statischen neigende Elemente sind dem insgesamt Dynamischen verschmolzen. Parallel zueinander schwingendes, leicht gekrümmtes „Astwerk“ erzeugt aus der lebendigen Wiederholung eines einzigen Motivs den Eindruck entschwerten, melodiösen Schwebens („Toccata“). Andere Arbeiten, in denen aus stilleren Bezirken, jäh und schroff, strahlenartig gestraffte Stäbe ausfahren, sind von energiegeladener Ausdruckskraft. Selbst wo rotierende Kräfte zur Kugelform tendieren („Ballung“), schließen Unterbrechungen und „Störungen“ das Gleichmaß absoluter Ruhe aus, ist nicht ein „Sein“, sondern ein „Werden“ gegeben. Allseitig dem „Leeren“ geöffnet, dieses einbeziehend in die Sphäre des Gestalteten, wird „Raum“ zum Bildnerischen und zum Lebenselement des Werkes. Welch‘ unvoreingenommener Betrachter aber könnte sich dem Eindruck entziehen, daß gegensätzlich Bewegtes und rhythmisch zueinander Geordnetes, materiell und immateriell Geformtes im Letzten zueinander stimmen und eine Harmonie ergeben. Werthmann gestattet selbst seinen Werken gelegentlich musikalische Titel unterlegend, den Vergleich mit der Musik, der absolutesten aller Künste. In: Katalog "Fathwinter, Friederich Werthmann", Ausstellung im Städtischen Kunstmuseum Duisburg 1960 |
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