Wolfgang Zemter
Friederich Werthmann - Druckarchiv


Mehr als zwanzig Werkverzeichnisse haben die Wechselausstellungen des Märkischen Museums in den letzten Jahren begleitet. Dabei wurden ganze Oeuvres oder einzelne Werkkomplexe wissenschaftlich bearbeitet. Dies geschah im Hause selber oder durch Kooperation mit anderen Ausstellungsmachern, wie auch dank der Hilfe freier Mitarbeiter.

Die große Anzahl weist vorwiegend auf die Marktlücken hin, die seitens des Märkischen Museums besetzt wurden: Mit dem erfolgreichen Ergebnis, dass große Konvolute an Grafik und Zeichnung – Geschenke der dem Hause nahe stehenden Künstler anlässlich der Bearbeitung und Ausstellung ihrer Werke – trotz jahrelang fehlender Ankaufsmittel die Sammlung stetig bereicherten. Die dabei ins Haus gelangten Bestände (vielfach singuläre Druckzustände und seltene Varianten enthaltend) haben dazu geführt, dass die Spezialsammlung deutscher Kunst nach 1945 in ihrer Struktur und Konsequenz ihresgleichen sucht.

Ich nehme das Erscheinen des Werkverzeichnisses der Druckgrafik von Friederich Werthmann zum Anlass, um mich grundsätzlich bei den Wissenschaftlern und Künstlern zu bedanken, welche diese Sonderrolle unseres Hauses erst ermöglicht haben. Speziell im vorliegenden Falle gilt dieser Dank dem Künstler und seiner Frau Maren Heyne, so wie dem Bearbeiter dieser Publikation Hartmut Witte. Er ist der ausgewiesene Spezialist des Gesamtwerkes von Werthmann. So ist ihm nicht nur das Werkverzeichnis der Skulpturen des Künstlers und der Katalog zu verdanken, der unsere Ausstellung von Skulpturen und Zeichnungen des Frühwerks von Friederich Werthmann begleitet hat, sondern er verkörpert den Beweis, dass außerhalb der Institutionen Museum und Universität oft die wirklichen Experten für einzelne Künstler oder Sammlungsgebiete zu finden sind. Sein Wissen über das Werk Werthmanns hat auch in der hier vorliegenden Publikation ihren Niederschlag gefunden.

Das Werkverzeichnis der Druckgrafik erscheint exakt zum achtzigsten Geburtstag eines Künstlers, den seine Umwelt und das Fachpublikum bisher ausschließlich auf den Bildhauer Werthmann reduziert haben. Wurde diese Einengung schon mit der parallelen Vorstellung seines zeichnerischen und plastischen Frühwerks relativiert, so muss nach Erscheinen dieses Werkverzeichnisses der Radierungen erst recht umgedacht werden:

Werthmanns Oeuvre bewegt sich immer in den Sphären von Raum und Planimetrie. Das gilt für jede gewählte Ausdrucksform: Auch seine Grafiken verweisen auf räumliche Ebenen und alle seine Skulpturen haben eine Affinität zu Grafismen oder der Fläche. Wie weit im grafischen Experiment die Probleme der Skulptur angedacht sind, erlebt man, wenn man sich vor Augen führt, dass Werthmann den bewußt destruktiven Part in der Bearbeitung der Metallplatten, die gezielt zerstörerischen Eingriffe in die Oberfläche steuert, das Prinzip der Genese (parallel zur Skulptur) zum Gestaltungsprinzip aufwertend.

Werthmann überträgt dabei erfolgreich von der Grafik auf die Skulptur (und umgekehrt) wie seit Ende der 50er Jahre im informellen Werk von Schoofs, Schumacher, Tàpies, Vombek und anderen angelegt ist: Die Methode der Herstellung herauszustellen und als wesentlich zu thematisieren (den Eingriff per se in das Zentrum der Anschauung zu bringen) charakterisiert sein Werk mit. Er verzichtet dabei auf die Attitüde des Dekorativen und unterwirft sich auch nicht den Gesetzen des Marktes, die seinerzeit hohe Auflagen von Druckgrafik postulierten. Der Verzicht des Künstlers auf hohe Auflagen, der Tatbestand, dass nur wenige Exemplare frei kursieren, hat Werthmanns einseitige Einschätzung verursacht: Das Märkische Museum kann diesen Umstand heute nur begrüßen.

Die umfangreiche Schenkung seltener Belegstücke, die wir Werthmann und – vor allem – dem Sammler Witte zu verdanken haben, unterstreicht einmal mehr die Bedeutung, die der Museumskollektion seitens der Künstler und Wissenschaftler beigemessen wurde und wird. So bleibt mir nichts anderes übrig als, tief bewegt, meinen Dank auszusprechen.

In den letzten Jahren hat sich vermehrt gezeigt, dass die vom Hause editierten Spezialpublikationen im Handel und auf Auktionen und bei der weiteren wissenschaftlichen Bearbeitung einzelner Monografien oder spezieller kunsthistorischer Abhandlungen das Grundlagenmaterial geliefert haben, ohne welches vergleichendes Sehen und eine einordnende Bewertung nicht möglich wäre: Genau das war die Zielsetzung, der Impetus der langjährigen Bemühungen.

Das Werk der bearbeiteten Künstler nicht nur einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, sondern vor allem die Voraussetzung zu schaffen, um es adäquat seiner Bedeutung einordnen zu können, war geplant. Die Zeit wird zeigen, dass viele Erfindungen von Künstlern gemacht wurden, für die andere bekannt wurden und dass das, was wir heute so schön mit dem Begriff „Zeitgeist“ bezeichnen, das kollektive Produkt ausgeprägter Individualisten ist und dass sich keinesfalls nur einzelne Künstler ihrer Urheberschaft rühmen können.


Aus: Hartmut Witte: "Friederich Werthmann - Druckarchiv", 2007