Hartmut Witte
Friederich Werthmanns Druckarchiv
Die sogenannte Bildhauergrafik oder Zeichnung hat entweder die Funktion der Skizzierung einer plastischen Idee oder bezieht sich unmittelbar auf das bildhauerische Werk. Friederich Werthmanns zeichnerisches und grafisches Werk passt nicht so recht in eine solche Einordnung. Bei der Ausstellung Friederich Werthmanns 1978 im Wilhelm-Lehmbruck-Museum lehnte Siegfried Salzmann deshalb die Einbeziehung von Grafik und Zeichnung ab. Das war eine Fehlentscheidung, die Ausstellung der frühen Skulpturen, Zeichnungen und Grafiken hier im Museum vor einem knappen Jahr hat gezeigt, wie interessant bei Friederich Werthmann das Spannungsverhältnis und die Wechselbeziehung zwischen Skulptur und Grafik ist.
In der Tat sind Werthmanns Zeichnungen keine Bildhauerzeichnungen im herkömmlichen Sinn. Werthmann entwirft seine Skulpturen nicht auf dem Papier, etwaige Entwürfe werden bereits im originalen Werkstoff gefertigt. Grafik und Zeichnung sind eigene Werkbereiche mit jeweils eigenen Möglichkeiten der Bearbeitung des künstlerischen Themas. In der Druckgrafik geht Friederich Werthmann ganz eigene Wege, dabei entwickelt er Techniken, die einen ganz neuen Blick auf die Bildhauergrafik eröffnet.
1958 bis Anfang der 60er Jahre beginnt Werthmann mit der klassischen Radierung in Ätz- und Kaltnadeltechnik. In informeller Zeichengestik haben die Grafiken oft motivische Bezüge zu den zeitgleichen Skulpturen, es gibt gemeinsame Themen, die aber ganz im zeichnerischen Sinne umgesetzt werden.
Später entdeckt Werthmann die dritte Dimension der Grafik, die Druckplatte selbst wird zum Objekt. Mit den Möglichkeiten des Stahlbildners erfindet er die Bildhauergrafik neu, die Druckplatten werden geschnitten und gesägt, mit der Flamme und der Elektrode erhitzt und geformt. Die Radierung wird zum Pyrogramm, 1965 erfunden von Friederich Werthmann.
Der Bezug der Grafik zur Skulptur ist nun ein ganz neuer, die Druckplatten haben die Qualität von Reliefs, sie selbst werden zum bildnerischen Gegenstand, sind Teil des bildhauerischen Oeuvres. Es war in diesem Sinne nur folgerichtig nach dem Verzeichnis der Skulpturen nun mit dem Werkverzeichnis der Druckgrafik nachzulegen.
Hierfür öffnete Friederich Werthmann seinen Mappenschrank, jedes Blatt wurde registriert und dokumentiert. Das grafische Werk wurde mit dieser Arbeit in einem Druckarchiv gesichert und ist nun als Werkverzeichnis publiziert. Ferner wurde ein umfangreiches Paket von Grafiken geschnürt, das heute in die Obhut des Märkischen Museums übergeben wird. Damit wird eine Sammlung deutscher Kunst nach 1945 ergänzt, die in Deutschland ihresgleichen sucht.
Die Ausstellung zeigt eine Auswahl mit Beispielen aus allen Schaffensperioden Werthmanns, viele Blätter sind hier erstmals öffentlich ausgestellt. Mit dem Werkverzeichnis wird ein bislang weitgehend unbeachteter Teil des Oeuvres eines bedeutenden Bildhauers gewürdigt, verbunden mit dem Glückwunsch zu Werk und Leben.
Rede zur Eröffnung der Ausstellung der Druckgrafik im Märkischen Museum in Witten 16.Oktober - 4.November 2007