Hartmut Witte
Generationen kommen und gehen

Etwa 1938 war der Vater von Friederich Werthmann aufgefordert einen "Ariernachweis" zu erbringen. Im Kirchenregister von Volmarstein war die Familie bis zu einem Johan Werth auf Werth im Jahr 1709 nachgewiesen. Der gerade mal 11jährige Friederich machte sich mit dem Fahrrad von Barmen aus auf den Weg zur Volmarsteiner Kirche um die Abschriften der Urkunden abzuholen.

In Gevelsberg sah er einen Hinweis "Auf dem Werth". Neugierig geworden fragte er sich durch und fand den Hof "Auf dem Werth", vermutlich der Wohnort seiner Vor-Vorfahren. Bereits 1620 ist hier ein Melcher up dem Werth nachgewiesen, einige Jahre später ein "Jh. (Johann ?) Wertmann".
"
Werth" bezeichnet eine durch einen Fluss gebildete Binneninsel wer die Gegend des heutigen "Am Werde" nahe der Ennepe kennt, kann diese Bedeutung nachvollziehen. Wie oft in früheren Zeiten hat der Ort bzw. der Hofname dem Bewohner seinen Namen gegeben: aus up dem Werth wurde auffm Werthe, auf Werth und später Werthmann.

Die Erinnerung an seine Vorfahren bewog den Bildhauer Friederich
Werthmann, der Stadt Gevelsberg die Skulptur "Schibbel" zu schenken. Sie wird Teil der Neugestaltung des Ennepe-Bogens, sozusagen des modernen Werths.
Das Kunstwerk besteht aus vier konvexen Scheiben aus kräftigem Edelstahl, die einer leicht gebogenen Linie folgen, etwa wie beim Schibbeln mit einer Münze. Der Bewegungsablauf wird dargestellt durch das viermalige Drehen einer zwei Meter hohen Scheibe, was eine Strecke von etwa 34 Metern bedeutet. Das Rollen wird verdeutlicht durch ein scheinbares Versinken oder Auftauchen.

Symbolisiert wird der Lebenslauf - Generationen kommen und gehen.

Friederich Werthmann arbeitet seit 1957 ausschließlich mit Stahl, trotz der Härte und Schwere des Materials ist immer wieder Bewegung oder Bewegtes ein Leitmotiv seines künstlerischen Oeuvres.

Frühe Skulpturen bestehen oft aus kleinen Stahlschnitten, die zu Be-wegung oder Rhytmisierung assoziierenden Strukturen verschweisst werden in einem Wechselspiel von Verdichtung und Auflösung. Eine Weiterführung erfahren diese Skulpturen ab etwa 1966, indem zarte Formen mit einer Art Raumbeschreibung auf dünne Stangen gesetzt werden und schon bei leichter Berührung oder bei Wind in Schwingung geraten, z.B. die "Piacere", "Mabruk" und "Knoervel". In der Fortführung dieses Gedankens sind es ab 1982 die dünnen Stangen selbst, die Formen im Raum bilden und die - von knotenförmigen Gelenken gehalten - sich in Bewegung versetzen lassen, als Beispiele seien hier die Skulpturen "Parallelolabile, "Siebenschläufer" und "Tango" genannt.

Der "Schibbel" gehört zu einer Gruppe von Skulpturen, die Bewegungsabläufe aufnehmen - z.B. in raumgreifenden Loops aus Edelstahlrohren - oder in sequenzartiger Reihung wie im "Preller", in dem sich eine Formung durch fünf hintereinander aufgereihte Stahlplatten fortsetzt.
Geformt wurde der Stahl durch die Kraft des Dynamits, die Ausdehnung der Explosion wird in den Platten in Sequenzen festgehalten.

Der begehbare "Stenon" steht für eine weitere Werkgruppe - durch die Enge zwischen zwei durch Dynamit geformte Wände wird der Betrachter auf einem Weg aus quadratischen Stahlplatten durch das Kunstwerk geführt.

In:
Maren Heyne - Fotografie
Friederich Werthmann - Skulptur

Hrsg. Stadtsparkasse Gevelsberg, 2009