Friederich Werthmann (1927-2018)
Das plastische Werk

Der 1927 in Barmen geborene Friederich Werthmann gehört zu den wichtigen abstrakten Bildhauern der deutschen Kunst nach 1945. Sein Entschluß künstlerisch zu arbeiten fällt nach einjährigem Kriegseinsatz und Gefangenschaft 1948. In Wuppertal absolviert er zur beruflichen Absicherung zunächst eine Maurerlehre, die er 1950 mit der Gesellenprüfung abschließt.
Neben Versuchen in Malerei und Keramik entstehen erste abstrakte Skulpturen aus Holz und Stein im Stile von Arp und Brancusi - ohne deren Arbeiten allerdings zu kennen. Sein plastisches Werk entwickelt sich dann in der Zeit des Informel, er wird Mitglied der Gruppe 53, der Avantgarde der Kunst des rheinischen Westens, die über die Region hinaus wegweisend wird und die deutsche Kunstszene der Moderne nachhaltig prägt. Mitglieder der Gruppe 53 sind u.a. der früh verstorbene Peter Brüning, Winfred Gaul, Gerhard Hoehme, Otto Piene – und Friederich Werthmann als einer der ganz wenigen Bildhauer.

Werthmann ist in der neu entstehenden Kunstszene der 50er Jahre bald fest verankert und stellt außer in der Gruppe 53 auch in den neuen Avantgarde-Galerien aus - u.a. in der Wuppertaler Galerie Parnass, die die wesentlichen Vertreter des deutschen Informel vertritt, neben den bereits genannten u.a. auch Hans Hartung, Emil Schumacher und Bernard Schultze. Eröffnet und begleitet werden deren Präsentationen von namhaften Kunstkritikern und -theoretikern wie Eduard Trier, Pierre Restany und Jean Pierre Wilhelm, der in seiner Galerie 22 in Düsseldorf die Avantgarde ausstellt und einen Kosmos der Weltbürger zusammenführt. Er stellt international aus (u.a. Fautrier, Cy Twombly und Rauschenberg) und organisiert Kontakte und Ausstellungen u.a. in Frankreich. So 1956 die „Cing Abstraits Rhenans“ in der Galerie Facchetti in Paris mit Peter Brüning, Albert Fürst, Winfred Gaul, Gerhard Hoehme und Friederich Werthmann.

Ab 1957 fertigt Friederich Werthmann seine Skulpturen ausschließlich aus Stahl und findet mit ihnen schnell Anerkennung. 1959 erhält er im Rahmen einer Ausstellung in der Kunsthalle Baden-Baden den erstmals ausgeloben „Kunstpreis der Jugend“, juriert u.a. von HAP Griehaber, Bernhard Heiliger, Fritz König, Werner Schmalenbach, Eduard Trier und K.O. Götz, der sein Votum schriftlich abgab.

Ab 1958 folgen erste öffentliche Aufträge, so die großen „Trigone“ in Krefeld (WVZ 29) und Gerresheim (WVZ 53) und die „Ballung Brehm“ (WVZ 32) in Düsseldorf. Überhaupt sind es die Skulpturen im öffentlichen Raum, die Werthmanns Arbeit neben den zahlreichen Ausstellungen überregional bekannt machen.

Informel

Das Werk Friederich Werthmanns kann mit dem Begriff des Informel in Zusammenhang gebracht werden - allerdings nur im Ergebnis, nicht im Prozess der plastischen Arbeit. In der Malerei des Informel geht es um die gestische Auflösung der Form. Spontan gewollt findet sich das Bild – nicht in reinem Zufall, sondern in einem konzentrierten malerischen Akt. Ein so angelegter Prozess ist in der Skulptur, in der Arbeit mit festen Materalien in diesem Sinne nicht möglich. Dennoch begibt sich Friederich Werthmann auf genau diesen Weg: die Auflösung der Form in leichter Bewegtheit. Für einen Stahl-Bildhauer ist das ein Paradoxon – das Friederich Werthmann löst.

Werthmanns frühe Skulpturen sind kleinteilig, sie bestehen aus hunderten oder tausenden Stangen, Schnipseln aus Stahl, die wie in einem dreidimensionalen Gewirr z.B. zu einem Kugelschwarm zusammengefügt werden - oder sie wirken wie hingeworfene Metallteile, die sich im freien Flug zur Form vereinigen: der Wurf hält inne und wird zur Skulptur.

Die Arbeit mit stabilem Material wie Stein oder Stahl setzt eine gewisse Planung voraus, sie braucht ein klares Konzept. Der Entstehungsprozeß der informellen Skulpturen Werthmanns ist gegengesetzt zur Wirkung, vorstellbar etwa als eine Art Zeitlupe rückwärts. Die Arbeit folgt ganz bewußten und rein technisch notwendigen Schritten.
„Das Detail verhält sich zur Struktur so, wie das Kleine zum Großen und das Große zum Ganzen.“ (F.W. 1977) Das Objekt wird in diesem Sinne langsam Stück für Stück aufgebaut, zusammengefügt zu einem stabilen Ganzen. Im Ergebnis wirkt dieses dennoch leicht und spielerisch, wie ein Form gewordener Gedanke, wie eine lyrische Beschreibung einer leichten Bewegung, einer schlichten Geste oder wie eine musikalische Erinnerung.

Das ist das Besondere: Friederich Werthmann folgt sehr wohl einem Konzept, einem „concetto“ wie er sagt, aber es ist kein konstruierendes Kalkül, keine rein formale Überlegung. Die Konstruktion ist nie Selbstzweck oder Demonstration physikalischer oder statischer Extreme, sondern sie ist stets das stille Instrumentarium, das kaum sichtbare Gerüst für das Zusammenfügen vom Kleinen zum Ganzen, zur Formung als Entelechie, Kugel, Sphäre, Struktur. In diesen Skulpturen formen sich Gedanken – die Titel der Arbeiten sagen das mehr oder weniger verschlüsselt. Friederich Werthmann ist Poet und Konstrukteur zugleich, ihm gelingt geradezu spielerisch das Zusammenführen von lyrischer Idee, dynamischen Strukturen und stabiler Form.

„Ähnlich wie in der Musik beruht auch bei mir das Gestaltungsprinzip auf Reihungen im Raum, Rhythmen, Strukturen, Schichtungen.“ schrieb Friederich Werthmann 1966 in einem Brief an Jean-Pierre Wilhelm. Und weiter: „Der Stahl gibt mir die Möglichkeit, durch besonders große Auflösungen und Verdichtungen Bewegungsformen zu gestalten, bei denen die Schwere des Materials aufgehoben und zugleich die Statik in Dynamik umgewandelt zu sein scheint.“

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Foto: Heide Sauer
Fotos: Maren Heyne